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Fünf Schnüre halten eine Frau, zwei Schnüre einen Spiegel. Die Ausgangssituation in der Performance “Das Bad” zeigt noch nicht, wie haltlos zwei Frauen in einem surrealen Raum herum irren werden. Sus Palm hängt zu Beginn der Tanzperformance “Das Bad” auf der Stadthausbühne mit ihren Haaren fest. “Als ich klein war, habe ich mir die Haare möglichst wenig gekämmt”, wird als Schrift im Hintergrund eingeblendet. Die Texte stammen aus dem Roman “Das Bad” (1989) von Yoko Tawada. Es sind unklare Texte und Bilder, die japanische Mythen an die Oberfläche des Alltags holen. Zur Oberfläche gehören ein Telefon, ein Spiegel und die Haut als empfindliche Membran. “Der menschliche Körper soll zu 80 Prozent aus Wasser bestehen . . .”, erläutert eine Stimme aus dem Off. Dieses Wasser scheint selbstständig im Körper herum zu wabern, macht Dellen und Sümpfe und entwickelt ein bedrohliches Eigenleben.

Die Schauspielerin Celia Endlicher agiert als rätselhafte Schuppenfrau, die ins Bad steigt, um sich zu reinigen. Ein Aquarium mit klarem Wasser ist dieses Bad, vor das Gregor Quade eine transparente Videoleinwand platziert. Per Motion Tracking werden Partikelsysteme simuliert, die an Luftblasen erinnern. Später geht es noch um Sprachlosigkeit. Andreas Usenbenz unterlegt das Geschehen mit einem unaufdringlichen Sound, der aufs vegetative Nervensystem der Zuschauer zielt.

Sus Palm befreit sich aus ihren Tentakeln und windet sich ihrer Tanzschwester zu. Beide Frauen haben eine einstündige Choreografie entwickelt, die zwischen symbiotisch und synchron, zwischen Annäherung und Abprall tänzelt. Hysterie und Zärtlichkeit sind nahe beieinander. Münder wie Müllbeutel, an der Küste nagende Wellen und Zeit in Scheiben sind Satzfetzen, die pixelig durch den Raum schweben. Die Ästhetik bleibt dabei als Konstante stets bestehen. Wenn man aufhört, die Performance verstehen zu wollen, dringt sie unter die Oberfläche. Dort wo das Wasser wabert.

andreas usenbenz

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